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Dienstag, 05.09. Florac - Mt. Aigoual - Florac:

Annette und Rudi müssen heute weiter, Philippe und ich aber wollen lieber noch einen Tag in dieser spannenden Gegend bleiben. Das Wetter ist nach wie vor traumhaft, und mich zieht es hinauf zum Mt. Aigoual, dem Wetterberg der Cevennen. Zweimal war ich schon mit dem Rad dort oben, jedes Mal war das Wetter furchtbar. Heute scheint der Tag zu sein, an dem der Berg einiges wieder gut machen kann.

Nach dem Frühstück radle ich mit wenig Tagesgepäck am Fluss Tarnon talaufwärts. Ohne meinen Hausstand komme ich flott voran. Rechts begleitet mich die steile Erosionskante der Hochfläche des Causse Méjean, links die waldreichen Cevennenberge. Auf der Straße gibt es nur sehr wenig Verkehr, so dass das radeln hier ein Hochgenuss ist. Die letzten Kilometer im oberen Tal des Tarnon verlaufen schattenreich den Flusswindungen.

Ab Rousses wird es schließlich etwas anspruchsvoller. Mitten in der Mittagshitze gilt es nun die ersten nennenswerten Höhenmeter zu erklimmen. Die Straße verläuft oberhalb der Schluchten des Bergbaches Tapoul. Obwohl die Steigung nicht allzu heftig ist, läuft mir der Schweiß in der Mittagshitze in Strömen aus allen Poren. Da beneide ich die neoprengekleideten Adrenalinjunkies, die mit Kletterausrüstung in der Schlucht verschwinden, um kraxelnd, springend und schwimmend dem turbulenten Bach abwärts zu folgen.

Mich zieht es weiter aufwärts. In Cabrillac erreiche ich die Hauptstraße, auf der es nun nicht mehr weit bis zum Gipfel des Mt. Aigoual ist. Die letzten Kilometer sind allerdings stark ausgebaut und zum aufwärts radeln lange nicht mehr so spannend wie der Streckenabschnitt entlang des Tarnon und Tapoul.

Etwa drei Stunden nach meinem Start in Florac erreiche ich das weitläufige Gipfelplateau. Es ist sehr schön, hier oben einmal den unendlich weiten blauen Himmel zu erleben, wo mir sonst immer heftiger Regen oder Schnee um die Nase blies. Rund um die Wetterwarte ist wie erwartet natürlich mehr los. Zahlreiche Ausflügler nutzen den herrlichen Tag für einen Ausflug hier hinauf. Die meisten kommen allerdings auf der gut ausgebauten Straße von Süden hier hoch und beeinträchtigen daher meine Radtour kaum.

Philippe ist mit seinem Motorrad auch schon lange oben und wartet am Gipfel auf mich. Wir machen eine ausgedehnte Mittagspause, gönnen uns einen Café und genießen die herrliche Aussicht.

Das Schönste am Bergfahren ist aber nach wie vor die anschließende Belohnung: die rauschende Fahrt hinab ins Tal! Und die klappt hier ganz besonders gut: 550 Höhenmeter geht es auf sehr gut ausgebauter Straße ohne zu bremsen in weiten Kurven hinab zum Col de Perjuret, das ist fast wie fliegen.

Die Aussicht auf die niedriger gelegenen Hochflächen von Causse Méjean und Causse Noir sind beeindruckend. So beeindruckend, dass ich mich am Col de Perjuret auf ein Experiment mit offenem Ausgang einlasse. In der Michelinkarte ist ein Wanderweg quer über den Causse Méjean eingezeichnet. Zwischen Villeneuve und la Fajole gibt's nur einen nicht näher klassifizierten gestrichelten Pfad. Niemand ist hier zu sehen, den ich nach dem Weg fragen könnte. Meine Neugier siegt, hier oben ist es allemal interessanter als denselben Weg zurückzufahren.

Obwohl es schon spät ist, fahre ich ein Stück aufwärts, um auf die Hochfläche zu gelangen. Ich passiere die bizarre Felslandschaft des Chaos de Nimes le Vieux und erreiche den Weiler Villeneuve, der gottverlassen und teilweise verfallen am Rand der Hochfläche liegt. Hier ist Schluss mit Asphalt. Mitten im Dorf zieht ein steiler Fahrweg mit grobem Schotter den Hang hinauf. Der Schotter ist zu grob zum fahren, so schiebe ich einige hundert Meter, bis ich oben angelangt bin.

Die Szenerie ist ergreifend. Eine menschenleere Hochfläche mit kargen Äckern und Weiden erstreckt sich vor mir, hinter mir das tief eingeschnittene Flusstal mit skurrilen Felsformationen, jenseits des Tales die waldreichen Berge um den Mt. Aigoual.

Ab hier geht es auf einem rauen Fahrweg voran, mit den dicken 26 Zoll Reifen ist das aber machbar. Der Fahrweg verläuft einige Kilometer durch hügeliges Terrain, passiert dabei einige steinige Äcker, kleinere Wäldchen und weites Weideland. Schließlich führt der immer rauer werdende Weg auf eine kleine Passhöhe hinauf. Von dort oben kann ich in der Ferne die Hofanlage La Fajole sehen, wo ich wieder aus Asphalt treffen dürfte.

Aber der Weg dorthin entpuppt sich als schwierig. Aus dem Fahrweg wird ein steiler ruppiger Pfad, der sich schließlich im Dornengestrüpp verliert. Das Intermezzo endet, in dem ich das Rad auf die Schultern hebe, einige Zäune und Äcker überquere und schließlich doch noch einen fahrbaren Weg finde, der mich wieder in die Zivilisation bringt.

Bei der Aktion ist nun doch mehr Zeit draufgegangen als geplant. Ich muss mich mächtig sputen, wenn ich noch vor Ladenschluss angemessenen Kaloriennachschub in Florac bekommen möchte. Auf der Straße ist zum Glück überhaupt nichts mehr los, so dass ich in atemberaubendem Tempo die steile Steige nach Florac runtersause und tatsächlich gerade noch in den Supermarkt hineingelassen werde, bevor der Chef die Tür verschließt.

Philippe wartet schon mit sorgenvoller Miene am Campinglatz, da er mich viel früher erwartet hatte. Wir verbringen den Abend am Zelt und haben viel zu erzählen.

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