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Mittwoch, 13.09. Seix - St. Beat:

Heute ist "Passtag", drei Bergetappen stehen auf dem Programm. Wegen den zahlreichen zu erwartenden Höhenmetern und dem nicht mehr ganz so stabilen Wetter stehe ich früh auf. Noch im Dunkeln baue ich das Zelt ab und packe alles zusammen.

Als ich damit fast fertig bin, beginnt es zu regnen - kein guter Start in den Tag! Den überdachten Sitzplatz kenne ich ja noch vom Vorabend, folglich kann ich zumindest noch im Trockenen frühstücken. Nach zwei Stunden hört der Regen dann doch auf, so dass ich um 9 Uhr den Start meiner heutigen Etappe riskiere.

Im Gegensatz zu den vergangenen beiden Wochen ist es nun aber leider deutlich kühler geworden. Langsam arbeitete ich mich die Passstraße zum Col de la Core (1395 m) hinauf. Wolken hängen vor den Bergen und wabern durch die Täler. Die Straße ist nass, es sieht trübe aus, aber zum Glück gibt es keinen Verkehr heute.

Als die Passhöhe in greifbare Nähe rückt, zieht von Südosten ein bedrohlich wirkendes Regengebiet heran. Den letzten Kilometer muss ich mich sputen, um noch im Trockenen zum Pass zu gelangen. Oben empfängt mich stürmischer kalter Wind. Angesichts der ungemütlichen Rahmenbedingungen und der nahenden Schauerfront verzichte ich auf eine Pause und ziehe mir nur schnell warme trockene Klamotten an.

Die anschließende Abfahrt vom Pass gleicht einer Flucht vor dem Regen. Trotzdem macht die Abfahrt ungeheuren Spaß. Kein Auto ist weit und breit zu sehen, die Straße ist glatt asphaltiert. Ich brauche nicht viel bremsen und schwinge in Ideallinie von Kurve zu Kurve. Durch die flotte Abfahrt komme ich trockenen Fußes hinunter nach Castillon-en-Couserans.

Dort gönne ich mir eine kleine Verschnaufpause. Beim Bäcker besorge ich mir ein paar kalorienhaltige Köstlichkeiten. Lange halte ich mich aber nicht auf, denn ich habe noch zwei weitere Pässe vor mir.

Die Anfahrt zum nächsten Pass, dem Col de Portet d´Aspet, verläuft zunächst langsam ansteigend durch das Bonigaue Tal bis St. Lary. Im Tal sind Äpfel und Birnen reif, die Vitaminversorgung ist gesichert. Hinter St. Lary zieht die Steigung stark an. Konkrete Angaben fehlen, die gefühlte Steigung beträgt etwa 9 - 10 %. Auf meinem Weg aufwärts muss ich oft anhalten, da mir der reichlich fließende Schweiß in den Augen die Sicht behindert. Schließlich habe ich auch die zweite Passhöhe des heutigen Tages, den Col de Portet d´Aspet (1069 m) erreicht.

Hier oben futtere ich die letzten Reste meines Proviants. Der Himmel ist zwar zugezogen, aber es bleibt trocken, so dass ich hoffen kann, mein heutiges Etappenziel St. Beat auch noch erreichen zu können. Die Passabfahrt über die Nordwestrampe gehört zu den steileren Varianten. Die Straße führt auf einer langen Gefällstrecke durch Wald mit bis zu 17 % stramm abwärts.

Während ich immer wieder bremsend vorsichtig abwärts fahre, kommt mir ein Trupp schwitzender und keuchender Rennradler entgegen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass ich genau diese Steigung vor gerade einmal einem Jahr voll beladen hinaufgefahren bin.

Am Ende der Gefällestrecke zweigt die letzte Passrampe für heute ab, die mich zum Col de Menthé (1349 m) hinauf bringt. Bis Couledoux führt die Straße zunächst nur leicht ansteigend aufwärts. Danach aber windet sich die Straße in endlosen Serpentinen immer höher hinauf. Endlich kommt auch mal wieder die Sonne durch die Wolken. Die Rampe führt durch eine besiedelte und überwiegend strukturreiche Bergwiesenlandschaft. Beim dritten Pass heute werden nun langsam meine Beine träge, und ich kämpfe mich im kleinsten Gang Schritt für Schritt nach oben.

Kurz nach fünf erreiche ich die Passhöhe, die aber wiederum im Wald liegt, so dass ich keine Aussicht habe. Die öffnet sich erst einige hundert Meter unterhalb des Passes und gibt den Blick frei auf die Felswand oberhalb von St. Beat und auf den Pyrenäenhauptkamm. Der Asphalt an der Westrampe des Col de Menthé ist perfekt, die Kurven herrlich. So genieße ich in flotter Fahrt die letzte Abfahrt des Tages, die mich direkt hinunter bringt nach St. Beat. Hier kaufe ich Proviant und schlage mein Zelt auf dem Campingplatz am Ufer der Garonne auf.

Abends treffe ich eine Radlerin, die heute aus Spanien herüber gekommen ist und von grauenhaftem Dauerregen sowie von Überschwemmungen auf der Südseite der Pyrenäen berichtet. Bei meinem abendlichen Spaziergang durch das beschauliche Städtchen beginnt es auch schon zu tröpfeln. Am Himmel über dem Pyrenäenhauptkamm zucken die Blitze. Das sind keine rosigen Perspektiven für den nächsten Pass, der der höchste meiner diesjährigen Radreise werden soll.

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