Extremadura und Portugal

Korkeichen, Hitze und einsame Straßen

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19. Etappe (Sonntag 29.06.2003):
Sesimbra - Cabo Espichel - Almada - Lissabon
(Distanz 70 km, Fahrzeit 4,5 Stunden)

19. Etappe: Sesimbra - Lissabon

Heute ist Sonntag, und die letzte Etappe meiner Tour steht auf dem Programm. Bis Lissabon ist es nicht mehr allzu weit, daher lasse ich mir viel Zeit. Das Wetter lässt allerdings zum ersten Mal zu wünschen übrig. Der Himmel ist vollständig bedeckt, und die Temperaturen sind unerwartet frisch. Der heutige Sonntag erscheint für die letzte Etappe bis Lissabon besonders geeignet, denn so hoffe ich den heftigen Berufsverkehr in der Innenstadt umgehen zu können.

Doch zunächst muss ich vom Strand den langen steilen Buckel hinauf nach Santana, genau das richtige zum warm fahren! Da ich schon hier bin, entscheide ich mich kurzfristig zu einem kleinen Abstecher an das Cabo Espichel. Der Weg dorthin über die Hochfläche ist allerdings nicht allzu spannend. Er ist durchgehend bebaut, und heute herrscht reger Ausflugsverkehr. Vor allem Motorräder sind reichlich unterwegs. Am Kap angekommen wird mir klar warum: Hier gibt's einen Motorradtreff, alles ist dabei, von chromblitzenden Retro-Harleys bis zu voll verkleideten Rennmopeds, die aussehen wie recycelte Joghurtbecher auf Rädern. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung, die allerdings abrupt endet, als eine unerwartet heftige Schauerstaffel über dem Kap niedergeht.

Unabhängig von dem jähem Ende des Besuches am Kap ist die Atmosphäre schon bemerkenswert: Die einsame halbverfallene Kirche mit ihren Nebengebäuden strahlen Wildwest-Feeling aus. Die Felsplatten stürzen steil in die endlosen Wassermassen des Atlantiks.

Die Kirche Sé in Lissabon am Tejo

Nach einem kurzen wetterbedingten Zwangsstop am Kap mache ich mich auf den Weg, um den Rest der Strecke bis Lissabon zurückzulegen. Aber selbst die küstennahe Nebenstrecke über Alfarim ist heute durch regen Ausflugsverkehr stark befahren, beim radeln kommt daher keine rechte Freude auf. Das durchwachsene Wetter sorgt für den Rest. Immerhin habe ich strammen Rückenwind, so dass ich die letzten Kilometer bis zum Stadtrand Lissabons durch öde Gewerbegebiete flott hinter mich bringe.

Kaum habe ich Lissabon erreicht, öffnet der Himmel seine Schleusen! Heute scheine ich den Ausgleich für die vielen trockenen und heißen Tage der vergangenen Wochen zu kassieren. Es hätte auch an ein Wunder gegrenzt, wenn ich diese Tour ausnahmsweise mal ohne einen Tropfen von oben beendet hätte. Es sieht nicht nach einem baldigen Ende des Regens aus, und so fahre ich im Nieselregen durch Lissabons südliche Vororte weiter.

Leider ist die große Hängebrücke über den Tejo mit dem Fahrrad nicht befahrbar, dort führen nur die Autobahn und die Eisenbahn hinüber ins nördlich gelegene Stadtzentrum. Ich fahre stattdessen zum Ufer des Tejo hinunter, im Stadtteil Almada fahren regelmäßig die Fähren direkt hinüber zum Cais de Sodre, dem Fähranleger des Stadtzentrums. Die Fahrt dort hinüber ist allerdings sehr ungemütlich. Die riesige Hängebrücke verschwindet plötzlich im Wasserschleier einer heranrauschenden Regenstaffel, die wenige Augenblicke darauf auch unsere Fähre erreicht und uns eine weitere Gratisdusche serviert.

Klatschnass erreiche ich das Stadtzentrum und warte zunächst mal auf Wetterbesserung. Irgendwann lässt der Regen nach, und ich begebe mich auf den Weg durch die Stadt in Richtung Campingplatz. Die Fahrt dorthin verläuft weniger übel als befürchtet, der Verkehr ist wegen des heutigen Sonntages nicht allzu stark.

Der Campingplatz liegt allerdings aus Radlersicht ungünstig direkt am Schnittpunkt mehrerer Autobahnen und Schnellstrassen. Zu allem Überfluss beginnt es auch wieder heftig zu regnen, so dass die letzten Kilometer der Tour die mit Abstand unangenehmsten werden. Irgendwann erreiche ich den Platz, checke ein und warte lange auf ein Ende des Regens.

Der Campingplatz ist riesig groß, es herrscht reger Betrieb. Ich versuche einen Platz zu finden, wo der Straßenlärm nicht so laut ist - vergeblich! Die Highways dominieren das akustische Geschehen. Ich baue mein Zelt auf und treffe gleich Gilles. Der Frankokanadier ist auch soeben mit seinem Rad hier eingetroffen, und wir haben sofort einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt.

Als ich abends mit dem Kochen beginnen möchte, fängt es zu allem Überfluss wieder an zu regnen. Glücklicherweise gibt es hier aber überdachte Picknickplätze, wo ich gleich einige andere wasserscheue Traveller treffe. Drei Italiener bruzzeln Pasta, zwei Australier kämpfen mit ihrem Trangiakocher. Lissabon beherbergt ein internationales Publikum, die Szenerie hier gefällt mir.


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