Korsika - Mit dem Rad durch das Gebirge im Meer
Spektakuläre Küste und einsame Bergsträßchen

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9. Etappe (Mittwoch, 10.09.2003): Corte - Favalello - Bustanico - Carticasi - San Lorenzo - Gavignano - Morosaglia - Col de Prato - Stoppianovia - Lutina - Col de St. Antoine - Piano - Silvareccio - Venzo - Venzolasca - Vescovato - La Canonica - Borgo
(Distanz: 115 km; Fahrzeit: 7,5 Stunden)

9. Etappe: Corte - Borgo

In der Nacht ist es trocken geblieben, dennoch sieht der Himmel am Morgen wenig Vertrauen erweckend aus. Ich schwanke hin und her, ob ich den Bergtrip durch die Castagniccia wagen soll, oder besser auf dem direkten Weg über die Route Nationale zur Ostküste fahre. Die Berge mit ihren ausgedehnten Edelkastanienwälder locken mich ungleich mehr als der öde Highway. Während ich noch grübele, reißt der Himmel von Westen her auf und lässt nur noch eine Entscheidung zu: Ab in die Berge!

Ein kurzes Stück N 200 lässt sich leider nicht vermeiden, dann biege ich links ab in Richtung Bustanico. Die D 39 habe ich nun wieder fast für mich alleine. In moderater Steigung geht es durch niedrigen Wald aufwärts nach Favalello. Die letzten Wolken des abziehenden Tiefs hängen noch vor den Bergen fest, es ist schattig und kühl. Hinter Bustanico zieht die Strasse steil zu einem namenlosen Pass hinauf, der um die 1000 m hoch ist. Die Steigung hat es in sich, das Hinterrad dreht im Wiegetritt auf der noch nassen und etwas lehmverschmierten Fahrbahn gelegentlich durch.

Nachdem ich den Pass überquert habe, bekomme ich bereits einen ersten Vorgeschmack auf die Castagniccia, die Strasse verläuft durch einen dichten Wald aus Edelkastanien. Es geht überwiegend kurvenreich abwärts bis San Lorenzo. Hier am Westhang des höchsten Berges der Castagniccia, dem Monte San Petrone, hat es kurz zuvor wohl noch heftig geregnet. Alles ist nass, Geröll, Blätter und lose Äste bedecken die Fahrbahn. In Morosaglia hoch über dem Casaluna-Tal

Der weitere Streckenverlauf gleicht mal wieder einer Achterbahn. Hinter San Lorenzo führt ein einsames Sträßchen steil über die Bergflanke hinüber ins Nachbartal nach Saliceto. Hier befinde ich mich direkt unterhalb des Felsgipfels des Monte San Petrone. Einige schöne Kilometer führen mich weiter durch den einsamen Wald, bis ich in Morosaglia die D 71, die "Hauptstrasse" der Castagniccia, erreiche. Hier am Gedenkbrunnen von Pascale Paoli raste ich und stärke mich für die noch anstehenden Höhenmeter. Das Tief ist mittlerweile vollständig abgezogen, und es ist selbst hier oben wieder angenehm warm.

Der Pass Col de Prato stellt mit seiner Höhe von 985 m die Pforte zum Herz der Castagniccia dar. Der Ausblick von hier oben in die "grüne Hölle" mit ihren zahlreichen kleinen Dörfern an den Bergflanken ist einfach toll! Hoch über diesem Szenario thront der markante Felsdom des Monte San Petrone. Im Osten reicht der Blick auf das Mittelmeer. Dieses steile grüne Kastanienparadies ist durchzogen von zahlreichen kleinen Sträßchen, die die Dörfer miteinander verbinden, ein Eldorado zum radeln! Mit dem Auto machen solch enge Strassen vermutlich wenig Freude, aber das Rad ist hier das ideale Verkehrsmittel. Es erfordert schon einen ständigen kritischen Blick auf die Karte, wenn man sich in diesem kurvenreichen Labyrinth nicht verzetteln will. Hinter dem kaum als Pass wahrnehmbaren Col de St. Antoine weicht der Wald zurück. Offene Macchia, die zum Teil niedergebrannt ist, ermöglicht nun wunderbare Ausblicke auf die Täler der Castagniccia. In endlosen Kurven führt mich die Strasse im Abendlicht näher in Richtung Küstenebene, die ich schließlich kurz hinter Vescovato erreiche.

Es folgt ein hammerhartes Kontrastprogramm! Nach der Abgeschiedenheit und Schönheit der Berge ödet mich die Küstenebene mit ihrer lärmenden Route Nationale mächtig an. Mangels Alternativen muss ich leider einige Kilometer auf diesem Alptraum "abmetern", bevor ich südlich des Flughafens von Bastia auf die ruhigere Strasse zur Landzunge am Binnensee Etang de Biguglia abbiege. Spät erst erreiche ich rund 10 km vor Bastia den schönen direkt am Strand gelegenen Zeltplatz, wo es sogar einen kleinen Laden mit Lebensmitteln gibt.


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