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Sonntag, 05.09.: Caromb - Mt. Ventoux - Caromb

Sonntag, 05.09.: Caromb - Mt. Ventoux - Caromb

In der Nacht kompensieren wir unser Schlafdefizit von der Busfahrt und werden erst spät wach. Der Berg ruft und wir überlegen, wie und auf welcher Route wir den Gipfel am besten radelnd erreichen. Da uns noch die nötigen Höhenmeter in den Beinen fehlen, entscheiden wir uns für die ökonomischere Variante. Wir beschliessen eine Tagestour ohne Gepäck zu unternehmen und abends wieder hierher zurück zu kommen.

Um nach Malaucène zu gelangen, müssen wir zunächst die Westflanke des Mt. Ventoux überqueren. Das ist zwar noch nicht so steil, bringt aber dennoch das Blut schon mal leicht in Wallungen. Ab Malaucène wird's ernst. Zunächst gönnen wir uns in dem schönen Ort einen Erfrischungsstopp, dann trennen sich unsere Wege. Am Berg kämpft jeder seinen eigenen Kampf, Bernhard ist sich noch nicht ganz sicher, ob er überhaupt bis ganz nach oben will.

Ich will, folglich starte ich mit gleichmässigem Tritt den langen Ritt aufwärts. Dieser Berg ist ein "Tour de France"- Klassiker, die Strasse ist perfekt asphaltiert - glatt wie ein Kinderpopo! Die Steigung liegt im Mittel um die 10 %, einige Abschnitte sind auch steiler. Ich arbeite mich langsam aber stetig aufwärts - 1600 Höhenmeter sind am zweiten Radeltag kein Pappenstiel.

Die Strecke zwischen Malaucène und dem Gipfel ist eigentlich die Abfahrtstrecke der Tour, folglich fährt auch heute kaum jemand hier hinauf. Stattdessen kommen mir Horden von bunt gekleideten Hobbyrennradlern in flottem Tempo von oben entgegen. Für mich heisst es dagegen weiter ackern und schwitzen.

Mit zunehmender Höhe wird der Weg von weggeworfenen Tuben gesäumt, die offenbar energiereiche Substanzen enthielten und von leidenden Radlern als letzte Rettung verspeist wurden. Von der Alm Mt. Serein führt die Strasse durch den Wald steil aufwärts und gibt schließlich erstmals den Blick auf die weiße Kalkspitze des Mt. Ventoux frei.

Die letzten Meter zum Mt. Ventoux

Dreieinhalb Stunden nach meinem Aufbruch von Malaucène erreiche ich mit weichen Knien den Gipfel. Obwohl heute Sonntag ist, hält sich der Trubel hier oben zum Glück in Grenzen. Es weht ein kalter Wind, und die Sicht ist leider nicht so klar. Dennoch brauche ich jetzt eine Pause und freue mich über den gemeisterten Buckel. Da ich nicht sicher bin, ob Bernhard überhaupt bis zum Gipfel fährt, beschliesse ich weiterzuradeln.

Die Abfahrt unterbreche ich bereits nach kurzer Zeit am Gedenkstein von Tom Simpson. Der arme Kerl hatte sich in den siebziger Jahren irgendwann gedopt auf die Tour de France begeben und den mörderischen Anstieg von der Ostseite nicht überlebt. Kurz vor dem Gipfel fiel er tot vom Rad. Der Ort des tragischen Geschehens lockt seitdem die radelnde Welt zum ehrfürchtigen Innehalten.

Was beim Hochfahren die Pedaleure quält, ist für mich als Abwärtsradler nun ein Hochgenuss. Auf steiler kurvenreicher Straße rase ich mit klammen Fingern fröstelnd abwärts der Sonne entgegen. Am Chalet Reynard verlasse ich die Hauptstrasse und tauche in den Wald ein. Steil und kurvenreich geht es immer weiter abwärts, radeln ist eine Wonne, zumal es immer wärmer wird.

Die letzten Kilometer führen mich durch die Dörfer am Fusse des Mt. Ventoux zurück nach Caromb. Hier treffe ich Bernhard wieder. Er ist nicht bis zum Gipfel gewesen, sondern hat an der Alm Mt. Serein beschlossen, umzukehren und auf gleichem Wege zurück zu radeln. Leider haben heute am Abend schon alle Läden zu, so dass das Abendessen etwas spartanisch ausfällt…

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