Zurück Weiter
vorherige Etappe nächste Etappe

Dienstag, 19.07. Lescar - Pau - Lescar:

Schnelle Ente

Heute ist "Tour de France" Tag! Eine Bergetappe steht auf dem Programm. Von der Nachbarstadt Mourenx führt die heutige Etappe hinauf in die Pyrenäen und am Nachmittag wieder zurück nach Pau. Ich habe also genug Zeit, um mir in der Stadt einen geeigneten Punkt zu suchen, von wo ich das Renngeschehen verfolgen kann.

Die Vorbereitungen zur Herrichtung der letzten drei Kilometer durch die Innenstadt laufen bereits auf Hochtouren. Überall werden die Absperrungen und Werbebanderolen angebracht.

Am Place de Verdun, dem heutigen Zieleinlauf, sind Heerscharen von Tourbegleitern damit beschäftigt, das Rahmenprogramm und den Endspurt vorzubereiten. Das Ganze erinnert mich eher an eine riesige Kirmes als an ein Radrennen. Die Materialschlacht ist beeindruckend, der Platz ist überfüllt mit Lastwagen, Bussen und Transportern aller Art. Mobile Büros für die Rennleitung und eine mobile Tribüne sind am Zieleinlauf errichtet. Musik dröhnt aus Partytrucks, aufdringliche Werbebotschaften sind allgegenwärtig. Über allem steht ein Großbildschirm, auf dem später die Tour live präsentiert werden wird.

Das Wetter ist prächtig, die Stimmung gut, die Stadt steht jetzt ganz im Zeichen der Tour. Ab Mittag geht in der Stadt gar nichts mehr - die Polizei riegelt alles ab für das Peloton und die offizielle Werbekarawane, die ab 15.30 Uhr erwartet werden. Unterhalb des Casinos suche ich mir an der letzten Steigung vor dem Ziel einen guten Platz. Hier ist das Licht zum Fotografieren gut und ich hoffe, dass die Jungs wegen der Steigung vielleicht nicht ganz so schnell vorbei rauschen.

Wie angekündigt, rollt gegen 15.30 Uhr eine nicht enden wollende Werbekarawane heran. Aggressive Animation mit dröhnender und aufpeitschender Musik soll das Volk in Wallung bringen. Werbeslogans aus Megaphonen hämmern unaufhörlich auf mein armes Hirn ein. Garniert wird der Zirkus mit fantasievoll gestalteten Fahrzeugen. Leicht bekleidete junge Mädels katapultieren Werbegeschenke aus den Fahrzeugen ins Volk: Käppis, Sonnenhüte Tücher, Schlüsselanhänger, Gummibärchen, Getränke, das Repertoire ist unerschöpflich. Die Jäger und Sammler unter den Besuchern stürzen sich auf alles, was angeflogen kommt. Das alles erinnert mich eher an Karneval in Köln als an die Tour de France.

Das Etappenziel ist nicht mehr weit

Derart aufgeheizt dauert es nicht mehr lange, bis die Werbekarawane durchgefahren ist. Aus der Ferne sich langsam nähernde Hubschrauber kündigen die ersten Radler an. Kurz darauf sind sie da! In einem Affenzahn saust eine Karawane aus Begleitmotorrädern, Versorgungsfahrzeugen und, siehe da, mitten drin auch noch vier flotte Radlern heran. Viele drängen sich auf die Strasse, in der Hoffnung, ein tolles Foto von der Spitzengruppe machen zu können. So schnell die Jungs gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg. Ich habe die ganze Szenerie kaum real registriert, sondern habe den kurzen Moment, wie viele andere wohl auch, ausschließlich durch den Sucher meiner Kamera wahrgenommen. Daher kann ich gar nicht sagen, wer denn überhaupt in der Spitzengruppe dabei war.

Es folgen ein paar spannungsgeladene Minuten, dann rauscht bereits das Hauptfeld heran. Unter dem anfeuernden Gejohle hunderter Zuschauer jagen die armen Kerle am Ende ihrer Kräfte im Abgasnebel der Begleitfahrzeuge den letzten Anstieg hinauf. Jeder Zuschauer will so nah wie möglich ran ans Geschehen, und die Gasse wird für die schnell fahrenden Radler und Fahrzeuge verdammt eng! Erst später bei der Auswertung der Fotos habe ich realisiert, dass die beiden Favoriten Lance Armstrong und Jan Ullrich im Hauptfeld dabei waren.

Es folgen in kurzen Abständen noch einige weitere Radlertrupps, nach etwa 20 Minuten ist der Spuk vorbei. Mittlerweile dürfte am Zieleinlauf die Siegerehrung bereits im vollen Gange sein. Wie das Rennen ausgegangen ist, bekomme ich hier aber nicht mit. Ich bahne mir mit dem Rad einen Weg durch die Massen, um zum Zieleinlauf zu gelangen. Als ich sehr viel später schließlich dort ankomme, verlässt Lance Armstrong bereits im gelben Trikot winkend den Platz.

Der Zirkus ist vorbei, aber es wird noch einige Stunden dauern, bis sich der Ausnahmezustand in der Stadt wieder normalisiert. Am Place de Verdun übernehmen jetzt die Techniker und Arbeiter das Regiment. Zieleinlauf, Tribünen, Übertragungscontainer, Partytrucks und Kamerawagen müssen innerhalb kürzester Zeit zusammengebaut und verladen werden, damit am Ziel der morgigen Etappe alles rechtzeitig aufgebaut ist und funktioniert.

Der Tag hat Spaß gemacht, Fahrradurlaub einmal anders!

zurück zum Seitenanfang


Zurück Weiter
vorherige Etappe nächste Etappe